Re: Jongleure gesucht


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Verfasst von Wolfgang Schebeczek (wsch [AT] EUnet . at) am 29. Jänner 2003 um 14:23:39:

Als Antwort auf: Re: Jongleure gesucht verfasst von Martin am 29. Jänner 2003 um 03:02:48:

Martin schrieb:

: Also, wenn ich mitspielen würd, würd ich folgende Regeln
: vorschlagen:

: Pro Mannschaft spielen vier Personen, die jonglierend alles
: machen dürfen, um den Gegner zum Dropen zu bringen. Das
: Spielfeld wird dem Gelände angepaßt. Sieger ist die Mannschaft,
: bei der zum Schluß noch mindestens eineR jongliert. Bei
: Unentschieden wird das Spiel wiederholt.

Also gut, kommen wir wieder auf den Boden. So wie du es beschreibst, haben wir es in der VHS XX schon einmal ausprobiert, lediglich mit dem Unterschied, dass es kein Untentschieden gab, sondern - falls nur noch eineR pro Mannschaft übrig blieb, der Sieg wie beim normalen Combat durch
Zweikampf entschieden wurde. Ich hab es als ausgesprochen unspannend in Erinnerung. Mann muss ja nur mehr auf die Hälfte der Leute aufpassen, von den anderen droht keine Gefahr. Diese Rundherum-Awareness, die man fürs Combat entwickeln muss, macht aber gerade einen Großteil des Reizes des Spiels aus. Ist sie weniger wichtig, müssten andere interessante Spielzüge das Ganze wieder spannender machen. Die ganzen strategischen Möglichkeiten, z. B. den/die Besten der anderen Mannschaft als erstes und mit möglichst vielen Angreifern anzugreifen, bzw. vice versa den/die Besten der eigenen Mannschaft zu schützen, haben nicht wirklich funktioniert.

Ok, vielleicht müsste man hier wirklich Systeme entwickeln und sie konsequent spielen. Vom Basketball weiß ich, dass Systemspielen zwar effizient ist, aber nur nach viel Übung funktioniert (das System und die einzelnen Rollen verstehen hilft noch nicht) und dass es außerdem ziemlich langweilig ist, wenn man den eigenen Genuss am Spiel als wesentliches Kriterium ansieht. Es ist halt so, wie wenn man Schach spielt und sich bei den ersten 30 Zügen exakt an den Dufresne/Mieses hält. Effizient (solang der Gegner nicht noch mehr Background hat), aber fad und außerdem muss man vorher 700 Seiten Kleingedrucktes auswendig lernen. So wie wir Combat spielen, also um des Spaßes willen, den wir unmittelbar haben, und nicht weil wir in 10 Jahren den Europameister stellen wollen, prophezeie ich mal, dass alles, was längere Vorbereitungen erfordert, zum Scheitern verurteilt ist.

Das ist ein wesentlicher Gesichtspunkt, der bei allen Ideen zu einem neuen Mannschaftsjonglierspiel zu berücksichtigen ist. Sobald es eine Arbeitsteilung innerhalb einer Mannschaft gibt, sind nicht notwendig die Regeln, aber die Möglichkeiten für Strategie und Taktik sehr rasch eine komplexe Sache. Und verzichtet man auf ihre Anwendung, dann bringt die neue Spielidee nix. Ein weiteres Beispiel dafür: Laszlo hat jüngst die Idee aufgebracht, mit zwei Spielbällen statt einem Jollyball zu spielen. Wir habens in der Grimmgasse ausprobiert, 5 gegen 5, auf einem relativ großen Feld. Ich habs schon so, wie wirs gespielt haben (also ziemlich chaotisch und ohne viel Plan), interessant gefunden, allein aufgrund der erforderlichen Awareness, die man braucht, um das doppelte Spielgeschehen mitzukriegen. Andere habens eher für eine Schnapsidee gehalten, weil Situationen vorprogrammiert sind, die auch einen sehr guten Spieler überfordern *müssen* (z.B. gleichzeitiges Anspiel eines Spielers mit beiden Jollybällen). Letzterem kann man durch Mannschaftsspielzüge zwar beikommen, und es sind auch sofort Konzepte entwickelt worden, wie man beide Bälle gleichzeitig in die eigene Mannschaft kriegt, was dann am besten zu tun ist, und was man unternehmen könnte, dieselbe Strategie des Gegners zu Fall zu bringen, wie man den eigenen, einen Jollyball jonglierenden Spieler schützen kann etc. Aber es hat sich auch gezeigt, dass das rasch kompliziert wird. Ich hab die Hoffnung nicht aufgegeben, dass hier ein interessantes Spiel entsteht, aber entsprechende Regeln zu gestalten, ist eine nicht triviale Aufgabe.

Beim Mannschaftscombat gibts aber noch einen anderen wichtigen Punkt. Allen in diesem Thread vorgelegten Ideen, seien sie simpel wie die von Martin, oder mit komplizierter Rollenverteilung, wie sie andere hier eingebracht haben, ist eines gemeinsam: Das eigene Leben wird im Spiel zurückgestellt (bei manchen Spielvorschlägen war das sogar zwingend) gegenüber dem Leben eines oder mehrerer der eigenen Mannschaft. D. h. Kamikadseangriffe sind zwingend oder zumindest geboten. Genau das halte ich aber für ziemlich uninteressant. Der Reiz des Combat ist ja nicht, dass es einem gelingt, die Jonglage eines anderen zu zerstören - das ist ja wahrlich keine große Kunst - sondern, dass man dies tut bei Aufrechterhaltung der eigenen Jonglage!

Wir alle kennen die Tricks, dem Gegner, der einen gerade ausgeschalten hat, noch - wie unabsichtlich - eine verbliebene Keule oder die Hand ins Muster zu halten oder ähnliches, ohne dass noch die geringste Anstrengung (weil aussichtslos) gemacht wird, die eigene Jonglage aufrecht zu erhalten. Mag in manchen Situationen als originelle Schummelei (so sie irgendwas Originelles aufzuweisen hat) akzeptiert oder gar goutiert werden, im allgemeinen wird aber so etwas als fies, unfair oder zumindest komplett uninteressant angesehen. Genau das wird aber bei Kamikadseangriffen zum Programm erhoben. Was gibts Effizienteres um Mario oder Hermann auszuschalten, als eine Keule in möglichst hohem Bogen wegzuwerfen, möglichst noch so, dass sie einen weiteren Gegner trifft und mit den verbliebenen zwei in ihrer Jonglage rumzustochern?

Es gibt einen weiteren Punkt: Kamikadseangriffe können das Spiel sehr gefährlich machen. Warum Combat relativ (ich betone: relativ) ungefährlich ist, liegt darin, dass Unerfahrene nicht viel Schaden anrichten können (solang die Erhaltung der eigenen Jonglage ihr oberstes Ziel ist), weil sie kaum ihre Keulen aus dem eigenen Muster wegbewegen können, und dass mit zunehmender Erfahrung auch der Überblick über das Spiel, die Zielsicherheit bei einer Attacke und das Gefühl für das richtige und möglichst ungefährliche Mittel zunehmen. Aber auch sehr gute SpielerInnen sind nicht imstande, ein beliebig brutale Attacke auszuführen, solange sie ihre eigene Jonglage erhalten wollen. Und das ist gut so. Davon lebt das Spiel, das destruktive Element allein würde nicht sehr viele JongleurInnen reizen. (Da könnt ma ja gleich Fußball spielen ;-) Und es schützt bis zu einem gewissen Grad die eigene Gesundheit.

Mit Kamikadseangriffen und sind diese Barrieren aufgehoben und die Sache wird gefährlich. Man denke an die von Hermann vorgeschlagene Turm-Regel. Eine nette Idee. Aber, was ist, wenn die Mannschaft entscheidet, jetzt wäre ein Turmopfer angebracht. Der Turm wirft eine Keule so hoch in die Luft, wie er kann, und - ohne Anstalten zu machen, sie je wieder zu fangen - räumt er ab, was er kann, solange sie in der Luft ist. Auch wenn er behutsam ist, ist das Resultat unberechenbar. Ausserdem steht er unter Zeitdruck, der Spieleifer tut ein Übriges.

Spezielle Kamikadese-Strategeme, wie eigene Keulen jemand ins Muster schmeissen, sind auf jeden Fall gefährlich. Wenn es beim Keulenjonglieren (Solo, Passen, Spiele), unberechenbar fliegende Keulen gibt, dann sind es die nach einer Keulenkollision. Ich hab mir mal so einen Lappenriss in der Netzhaut eines Auges geholt und kann ihn jetzt noch betrachten, wenn ich Lust drauf hab. Kein Combat, nicht einmal Passing, simple Solojonglage. Kollision und eine Keule war im Aug, bevor ich irgendeine Chance hatte zu reagieren.

Ich weiss, dass das Keulen-jemand-ins-Muster-schmeissen auch ohne Kamikadse und auch beim normalen Combat möglich und erlaubt ist. Per Kickup einer am Boden liegenden Keule, oder Kickup zu vier und dann eine von den vieren wegwerfen. Das Manöver ist aber riskant und es wird daher nur selten, nur von guten (und daher auch vorsichtigen) Spielern und nur in gut überblickbaren Situation verwendet. Und es braucht Vorbereitungszeit, d. h. das Opfer kann sich darauf einstellen. Unter Umständen sogar so, dass der Angeriffene eine Keule wegwirft und statt dessen die Keule, die nach ihm geworfen wird in die eigene Jonglage einbaut. (So geschehen in der Grimmgasse - diese Sternstunde des Combats muss hier unbedingt schriftlich festgehalten werden - als Tini genau auf diese Weise einen 4-Keulenangriff von Mario abgewehrt hat.) Selbst wenn das Manöver nicht gelingt, setzt es zumindest die Kollisionsgefahr von Keulen herab. Ganz anders ist die Sachlage, wenn Keulen-jemand-ins-Muster-schmeissen im Rahmen eines Kamikadseangriffs verwendet wird.

Kamikadseangriffe ganz zu verbieten, ist sicher nicht sinnvoll möglich. Weil diese ja i.a. gar nicht nachweisbar sind. Was bei einem Combat-Neuling oft wie ein solcher aussieht, stellt sich nachher einfach als falsche Selbsteinschätzung bezüglich der eigenen Fähigkeit, nach einem Manöver weiter zu jonglieren, heraus. Es könnte ein Reglement ausgetüftelt werden, dass sie unattraktiv macht (z.B. gewisse Drops zählen nicht als Ausscheiden), dann ist die Frage, was von der ursprünglichen Spielidee noch übrig bleibt.

Ich habe keinen Lösungsvorschlag für die angeschnittenen Probleme. So reizvoll die Idee des Gruppencombats ist, ich kann ihr erst wirklich was abgewinnen, wenn das Problem "Kamikadseangriffe sind gegen die Spielidee des Combat, im Grunde fies und obendrein gefährlich" in irgendeiner Form gelöst ist.

wolfgang


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