Re: Jonglierkeulen in Genua


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Verfasst von Wolfgang Schebeczek (wsch [AT] EUnet . at) am 02. August 2001 um 11:32:36:

Als Antwort auf: Re: Jonglierkeulen in Genua verfasst von Roman am 01. August 2001 um 12:28:18:

: Für alle, die die Berichterstattung
: in den Medien nicht verfolgen: [...]

Zuerst einmal: Danke, Roman, für deine aufschlussreichen Berichte hier.

Dass Taschenmesser u.ä. als Waffen betrachtet werden, wenn es gerade in das Konzept von Justiz und Polizei passt, Demonstranten zu kriminalisieren, ist nicht neu. Aber Theater- u.ä. Requisiten, das ist originell! Aber wär's dann nicht gleich besser, auch gleich alle Schauspieler, die auf der Bühne Bösewichte verkörpern, unter Beobachtung zu stellen? Ich meine, dass man sowas überhaupt spielen kann, das muss doch eine Grundlage haben! Othello auf offener Bühne verhaften! Ganz klar, der Mann hat doch Dreck am Stecken. Ob gespielt oder nicht, wer will da schon den Unterschied feststellen können? Kann man ja bei den Politikern auch nicht mehr unterscheiden!

: Die Schlagstöcke entpuppen sich als Jonglierkeulen,
: die Benzinkanister als Feuerpertroleum,
: die Geräte zum Brandschatzen als Feuerrequisiten...

Ganz klar: JongleurInnen haben was Subversives an sich. Setzen sich in Szene mit Requisiten, die sich auf die alte indische Kampfkeule gada zurückführen lässt, mit kanonenkugelartigen Dingen, Schlagstöcken, bei denen unverhohlen Martial Arts-Techniken zur Anwendung kommen, und praktizieren mit dem Schwingen diverser Gegenstände uralte Kampfertüchtigungsübungen. Agieren gerne im Finstern und Schwarzlicht, und ihre Liebe zum Feuer spricht Bände. Das Diabolo haben sie sich ja wohl nur ausgedacht, um auch ein unverdächtiges Requisit zu haben. Aber nomen est wahrscheinlich auch hier omen. Ok, Beanbags sind eher eine softe Angelegenheit, aber man weiß ja, was da drinnen geschmuggelt wird, oder? Ja, und diese Zusammenrottungen des harten Kerns, die in regelmäßigen Abständen stattfinden, wie demnächst in Rotterdam. Kann mir doch keiner erzählen, dass man da nur wegen des Bälleschupfens hinfährt. Und was sie besonders verdächtig macht: Bei alle dem tun sie furchtbar friedlich, essen Müsli und vegetarisches Zeug und denken sich Spiele ohne Sieger und Verlierer aus. Das macht doch nur jemand, der von seiner eigenen Gewalttätigkeit ablenken will, oder?

: Wohlgemerkt, es ist nicht auszuschließen,
: dass einige Mitglieder der Volxtheaterkarawane
: wirklich bei den Krawallen
: dabei waren,

Roman, deine Objektivität in Ehren. Meiner Meinung nach ist dieser Disclaimer aber hier überflüssig. Man mag zu Demonstrationsformen, die nach landläufig als "nicht friedlich" etikettiert werden, stehen wie man will. Oft sind sie einfach politisch falsch, lenken in die falsche Richtung (z.B. gegen die Polizei) etc. Friedlicher als das meiste, was bei solchen Gipfeltreffen, wie dem in Genua, beschlossen wird, sind sie allemal. Aber wie gesagt, man mag dazu stehen wie man will. Es ist jedoch gar nicht so, dass man den Mitgliedern der Volxtheaterkarawane die Beteiligung an den Krawallen nachweisen will, man will ihnen in erster Linie die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung anhängen, Verschwörungstheorien beweisen etc. D.h. die Sache aus dem Bereich der Politik gänzlich in den der Kriminalität abschieben. Demonstrationen, bei denen es auch zu Sachbeschädigungen oder zu Gerangel mit der Polizei kommt, reichen da nicht; die sind immer noch zu politisch. Daher die abstrusen Konstrukte. Diese Taktik ist übrigens alt. Dass unsere Requisiten hier zu zweifelhaften Ehren kommen, ist neu.

wolfgang


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