Re: Fotos und Rechte


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Verfasst von Wolfgang Schebeczek (wsch [AT] EUnet . at) am 05. März 2002 um 00:23:58:

Als Antwort auf: Re: Fotos und Rechte verfasst von Martin am 04. März 2002 um 19:57:34:

Martin schrieb:

: Der Bildnisschutz ist Teil des Urheberrechtes. Sorry, mein Posting war da
: etwas mißverständlich.

Habe es grad in Dillenz: Praxiskommentar zum österreichischen Urheberrecht nachgelesen. Der Bildnisschutz behandelt zwar dem Wesen nach andere Fragen als das Urheberrecht, aber Martin hat Recht: Er ist in Österreich Teil des Urheberrechts, nämlich der § 78 des Urheberrechtsgesetzes. Dillenz bezeichnet es als "persönlichkeitsrechtliches Einsprengsel" im Gesetz und vermutlich hat sich das bei mir so festgesetzt, dass das ganz zwei verschiedene Dinge sind. Dem Gesetzestext nach ist es jedenfalls nicht so, ich hatte Unrecht in meinem Posting.

: : JedeR, der/die - zumindest in Großaufnahme und deutlich erkennbar auf
: : einem Foto zu sehen ist - mit Ausnahme der sonst auch in der Öffentlichkeit
: : stehenden Personen, hat in Österreich das Recht, dass dieses Foto nicht
: : veröffentlicht wird. Unabhängig davon, ob es kompromittierenden Inhalt hat,
: : oder nicht.

: Eben nicht

Martin hat auch hier Recht, ebenso Lisi in ihrem Posting, es müssen "berechtigte Interessen des Abgebildeten" verletzt sein, damit § 78 angewandt werden kann. Übrigens habe ich auch bei der "Ausnahme der sonst auch in der Öffentlichkeit stehenden Personen" Unrecht, auch hier habe ich deutsches und österreichisches Recht vermischt. § 78 kennt keine solche Ausnahme, was nicht heißt, dass in der praktischen Judikatur die "berechtigten Interessen" von z.B. Politikern anders eingeschätzt werden als die von Otto Normalbürger (sinngemäßes Zitat aus Dillenz).

Was Lisi zitiert, ist übrigens teilweise der Gesetzestext selber, oder ein Kommentar, der sich auch wörtlich bei Dillenz findet.

: Was "berechtigte Interessen des Abgebildeten"
: genau sind, kann ich als Nichtjurist nicht genau sagen, aber die von Lisi
: angeführten Delikte Kreditschädigung oder Verleumdung verletzen diese sicher.

Das stimmt, aber auch subtilere Interessensverletzungen falllen bereits unter § 78. Dillenz setzt die "berechtigten Interessen des Abgebildeten" gleich mit dem "Schutz der Privatsphäre" ("the right of be left alone") und bezeichnet sie als "Generalklausel, die einen durch den Richter ausführungsbedürftigen Wertungsmaßstab je nach Einzelfall in sich schließt. Vulgo: ein Gummiparagraph, wenn ich mir erlauben darf, den Kommentar zu kommentieren. In Lisis Zitat "Berechtigte Interessen werden jedenfalls verletzt, wenn eine Person bloßgestellt, ..." möchte ich v.a. auf das Wort "jedenfalls" hinweisen. Im Klartext: Bei Bloßstellung etc. liegt *auf alle Fälle* Verletzung des Bildnisschutzes dar, Geringfügigeres muss dann der Richter je nach Einzelfall entscheiden. Das ist das, was ich mit Grauzone bezeichnet habe. Über die Praxis hab ich keinen Überblick. Dillenz führt zwar einige Urteile an (die meisten Prozesse zum Urheberrechtsgesetz betreffen diesen Paragraphen!), aber ohne inhaltlich darauf einzugehen. Susi hat aber gerade einen OGH-Entscheid aus 2000 ausgegraben, der besagt, dass ein Arbeitgeber, der das Foto eines seiner Arbeitnehmer ohne dessen Einverständnis ins Internet stellt, gegen § 78 verstößt. Jedenfalls weit entfernt von Kreditschädigung oder Verleumdung.

Seiltänzerinnenentscheidungen lassen sich im Internet nicht finden, also muss ich bis auf weiteres Lisi Recht geben, dass ich dürfen hätte, wenn ich bös gewesen wäre. D. h., falls in dem Fall nicht das deutsche Recht (Kaskade wird Deutschland verlegt) zuständig ist.

: ACK. Mir wern kan Richter brauchn.. ;-)

Oder anderes herum: Wenn wir einen brauchen, egal ob (eigentliche) Urheberrechtsfragen, Bildnisschutz oder andere Dinge, dann können wir eh mit unserer Community einpacken gehen, besser gesagt: sie gibt es dann nicht mehr.

Sorry für die viele Juristerei, aber da ich Falschheiten und Halbwahrheiten verbreitet habe, wollte ich auch nochmals Stellung dazunehmen. Aber nochmals: Um die Gesetzeskonformität ist es mir nicht gegangen. Weder in der Antwort an Reinhard, noch damals bei meiner Anfrage zum Seiltänzerinnenfoto. Bei letzterem bin ich sehr froh, dass ich gefragt habe. Eine Jongleurin nicht vor den Kopf zu stoßen, scheint mir das höhere Gut zu sein als ein gutes Foto in einer Zeitschrift zu haben; und sie zu fragen, war nicht viel Aufwand. Martin und Lisi haben meinem Standpunkt hier nicht widersprochen. Ich wollt aber nach all dem juristischen Zeug nochmals den Gedanken betonen, dass es um unsere Gemeinschaft schlecht stünde, wenn unsere Beziehungen nur nach dem ABGB geregelt werden.

wolfgang

P.S.: Und ja, einige werden von mir gefragt werden, ob sie mit der Veröffentlichung von Fotos von ihnen im WJW-Bericht von jonglieren.at, der gerade im Entstehen ist, einverstanden sind. (Nein, nicht alle, die "erkennbar" sind.) Wem diese Fragerei auf die Nerven geht, kann mir ja hier eine Generalermächtigung erteilen.


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