Wenn wieder 'mal nichts weitergeht
  jonglieren.at: Theorie & Praxis: Wenn wieder 'mal nichts weitergeht

  Laszlo Pinter

  aus:
    Tick. Die Zeitung von Artis-Tick, Nr. 12 (Herbst 1999), p 9

         
Jede/r JongleurIn kennt die Situation: Nichts will funktionieren, man ärgert sich über die ständigen Drops. Der Erfolg beim Jongliertraining ist nicht nur von Faktoren wie z. B. Anforderungen eines Tricks, physische Verfassung des/der Jongleurs/Jongleurin, äußere Einflüsse (Wind etc.) abhängig. Mindestens so wichtig sind Emotionen, die uns immer und überall beim Jonglieren begleiten und beeinflussen. Aus der Sportpsychologie ist bekannt, daß im Wettkampf genauso wie im Training "aus einer sinnvollen Nutzung emotionaler Handlungskomponenten wesentliche Leistungs- und Entwicklungsreserven freigesetzt werden können."[1]

Nicht nur Sportler im klassischen Sinn können aus dieser Erkenntnis lernen. Egal, was man trainiert: Die Summe der Gefühle und Empfindungen hat einen entscheidenden Einfluß auf die Effizienz des Lernens.

Emotionen sind nur indirekt steuerbar

 
Das Jonglieren ist eine ständige Balance zwischen Gelingen und Nicht-Gelingen und läßt uns daher auch nicht einfach kalt, wenn wir uns damit beschäftigen. Natürlich wäre es bequem, wenn wir auf Knopfdruck die richtige Mischung an Emotionen abrufen könnten, doch in der Realität haben wir nur eine indirekte Kontrolle über unsere Gefühlswelt. Gerade beim Üben kann es meiner Meinung nach vernünftigerweise nur darum gehen, unsere Emotionen soweit zu steuern, daß unsere Aufmerksamkeit nicht durch sie beeinträchtigt wird.

Erfolgreiche Sportler beispielsweise erreichen ihre Spitzenleistungen in einem ganz bestimmten emotionalen Bewußtseinszustand, auch idealer Leistungszustand genannt. Dies ist nur durch spezielles mentales und körperliches Training möglich.[2]

Lernen ist oft ein langwieriger Prozeß

 
Emotionen wie Ärger oder Frust hemmen den Lernprozeß. Sie resultieren aus der subjektiven Einschätzung der Trainingssituation. Hier ist, glaube ich, eine Einstellungsänderung nötig. Der Lernfortschritt ist oft ein holpriger und langfristiger Prozeß, und für den/die JongleurIn selbst nur schwer beobachtbar - vor allem bei lernintensiven Tricks. Die Idealvorstellung, daß auf jeden Versuch ein besserer folgen muß, entspricht nicht der Realität des Lernens. Geduld sich selbst gegenüber ist angesagt.

Beende dein Training mit einem gelungenen Versuch

 
Wenn ich zur Selbstbeobachtung bereit bin, kann ich es schaffen, negative Emotionen in die Gegenrichtung zu lenken. Eine "Jetzt-erst-recht"-Reaktion kann z. B. Ärger in eine für mich produktive Energie umpolen.

Es gibt auch die Möglichkeit, störende Emotionen zu vermeiden. Eine wesentliche Voraussetzung ist, daß du dich selbst gut genug einschätzen kannst und weißt, wie du in bestimmten Situationen reagierst. Überfordere dich z. B. nicht. Übertrieben lange Wiederholungen ein und desselben Tricks können zu Monotonie führen. Gestalte dein Training möglichst abwechslungsreich bzw. deinen Bedürfnissen entsprechend. Mache dir am Ende des Trainings bewußt, was du in der Einheit gelernt hast und strebe eine positive Grundstimmung an. In diesem Zusammenhang ist es z. B. hilfreich, das Üben mit einem gelungenen Versuch abzuschließen. Der "letzte Eindruck", den du von dir selbst hast, entscheidet oft über deine subjektive Einschätzung des Trainingserfolges.

Neue Herausforderungen suchen

 
"Emotionale Stärke" bedeutet nicht nur negative Gefühle steuern zu können, sondern auch die Fähigkeit zur Bereitstellung positiver Energie. Freude und Lust sind beim Jonglieren wesentliche Antriebsmomente. Wenn es nun an Emotionen mangelt, so gilt es, sie durch neue Herausforderungen zu suchen. So kann beispielsweise das Erlernen neuer Tricks oder die Beschäftigung mit einem neuen Jonglierrequisit eine geeignete Motivationsquelle sein.

Also: Ärger wie Freude gehören ganz einfach zum Jonglieren. Es geht nicht darum, Emotionen vermeiden zu wollen, sondern sie durch Bewußtmachen besser steuern zu können und für den eigenen Lernfortschritt zu nutzen.



[1] Polster Harald, Emotionen im sportlichen Handeln, in: Theorie und Praxis der Körperkultur, Berlin 37 (1988), Bd. 5, S. 332

[2] vgl. Altorfer Hans, Umgang mit Emotionen, Magglingen, 2 (1996), S. 4



Laszlo Pinter (Wien), Artist, Jonglierpädagoge, Freizeitbetreuer. Laszlo Pinter unterrichtet an der Circusakademie des Kulturvereins KAOS, dem Universitäts-Sportinstitut Wien, dem Verein Kids Company sowie an mehreren Volkshochschulen der Stadt Wien Jonglieren und sonstige Zirkuskünste. Außerdem absolviert er derzeit die Ausbildung bei den Wiener Clini Clowns. Professionelle Arbeit in der Artistengruppe Die Pyromantiker und als Solist.
Weitere Artikel des Autors auf den Webseiten von jonglieren.at: siehe: Index: Pinter, Laszlo

Alle Rechte verbleiben beim Autor. Veröffentlicht mit seinem Einverständnis und mit freundlicher Genehmigung von Artis-Tick. Dezember 2001.